Zeitraum

April bis September 2021

Kooperationspartner

Fraktion Mehrwertstadt, Jugendhilfeausschuss, Unterausschuss Hilfen zur Erziehung

Bewohner:innen der stationären Einrichtung der AWO AJS GmbH, Stadtjugendwerk der AWO Erfurt, Kontakt in Krisen – Integrationslotsin

Idee

Die Beschäftigung mit dem Thema und die Genese eines Beteiligungsprojekts erfolgte aus einem Antrag der Fraktionen Mehrwertstadt, SPD, LINKE und B´90/Grüne im Jugendhilfeausschuss hinsichtlich der Änderung der Qualitätsstandards für die Hilfen zur Erziehung.

Zielstellung

  • Herstellung eines Überblicks über die Lage in den stationären Einrichtungen hinsichtlich der anwendungsfreundlichen Verfügbarkeit von Internet-Anschluss und mobilen Endgeräten zu Arbeits- und privaten Zwecken für die Bewohner:innen
  • persönliche Einbindung von jungen Menschen, die im Heim wohnen, um ihnen mit ihren Anliegen und ihren Wünsche in den Verwaltungsgremien der Stadt Gehör zu verschaffen

Beteiligungsprozess

  • Mai 2021: erste Absprachen mit den Antragsteller:innen bezüglich des Aufbaus des Beteiligungsprojekts -> Verständigung darüber, eine Umfrage bei den Bewohner:innen der stationären Einrichtungen vorzunehmen, sowie eine kleine Projektgruppe aus Bewohner:innen zusammenstellen, welche die Ergebnisse im Unterausschuss aus einer persönlichen Betroffenensicht darstellen können
  • Kontaktaufnahme zur Zielgruppe der Bewohner:innen über Integrationscoach an der Regelschule Thomas-Mann und der Netzwerkkoordinator:in der Heimbewohner:innen beim Stadtjugendwerk der AWO Erfurt
  • Juni 2021: Entwurf und Bewerbung der Umfrage über Social Media Kanäle und in direkten Kontakten zu Bewohner:innen
  • Ende Juni und Juli 2021: Auswertung der Umfrage mit der Projektgruppe der Heimbewohner:innen, sowie Ausarbeitung der Wünsche und persönlichen Erfahrungen zum Thema
  • 14.7.2021: Besuch der Sitzung des Unterausschuss für Hilfen zur Erziehung mit Darstellung der Umfrageergebnisse durch eine Stellungnahme von BÄMM! und persönlichen Berichten der Projektgruppe
  • September 2021: Beschluss des im Unterausschuss Hilfen zur Erziehung konsensual erarbeiteten Änderungsantrages zu den Qualitätsstandards der Hilfen zur Erziehung

Auswertung des Beteiligungsprozesses

Umfrage:

  • Leider haben nur insgesamt etwa 30 Bewohner:innen an der Beantwortung der Umfrage teilgenommen
  • dies spiegelt das eigentliche Problem der Thematik wieder. Denn eine ausschließlich digitale Bewerbung und ebenso ausschließlich digitale Umfrage, kann bei fehlenden Zugängen nicht beantwortet werden
  • inhaltlich sind die Ergebnisse der Umfrage allerdings gut auswertbar

Projektgruppe:

  • auch hier fehlten uns die direkten Zugangsmöglichkeiten zu den Bewohner:innen von stationären Einrichtungen. Dies konnten wir über das SJW der AWO EF herstellen
  • in der inhaltlichen Arbeit mit der Projektgruppe haben wir festgestellt, dass sie einen dezidierten Blick auf das Thema haben und gut und selbständig für ihre Interessen eintreten konnten und wollten
  • die Projektgruppe hat sich gerne und gut im Unterausschuss Hilfen zur Erziehung präsentiert und pointiert die Interessen der Bewohner:innen vertreten

Inhaltliche Ergebnisse

Ergebnisse der Umfrage:

  • In der Mehrheit wurde die Umfrage von Bewohner:innen aus größeren Einrichtungen beantwortet.
  • Eine Möglichkeit der persönlichen Anbindung an das Internet (über LAN oder W-LAN) besitzen 80% der Antwortenden. Von diesen können allerdings nur 60% das Internet auch auf ihrem Zimmer nutzen. Dabei zeigt dieser Internetzugang bei mehr als der Hälfte der Antwortenden Mängel auf, sobald die Nutzung für Freizeitzwecke (Mediale Internetnutzung und auch von mehreren Personen gleichzeitig) ausgeübt wird. Als eklatant ist anzusehen, dass 21% angaben, dass die zur Verfügung stehende Internetverbindung für keinerlei angegebene Nutzungsart reicht.
  • Von den Personen, die Angaben keinen persönlichen Zugang zum Internet zu haben, gaben wiederum 80% an auf ein Gerät zurückgreifen zu können, mit dem sie das Internet nutzen können. 20% allerdings sind dann also vollkommen abgehängt vom Internetzugang.
  • Von den 80% die nur über einen Internetzugang mittels eines allgemeinen Gerätes verfügen, sagten 2/3, dass sie für die Nutzung des Gerätes um Erlaubnis bitten müssen. Nur etwa 20% gaben an, dass sie den Zugang zum Gerät mit der Internetverbindung immer dann nutzen können, wenn er gerade frei ist.
  • Bezüglich der Nutzungsfreundlichkeit des Internetzugangs gaben fast die Hälfte der Antwortenden an, dass sie mit häufigen Internetausfällen zu kämpfen haben.
  • Zum mobilen Arbeiten zählt neben dem Zugang zum Internet auch die Ausstattung und der Zugang zu einem mobilen Endgerät, welches etwa die Hälfte der Antwortenden persönlich besitzen, während die andere Hälfte auf andere Endgeräte zugreifen muss. Diese Geräte sind etwa zu gleichen Anteilen Geräte welche von der Schule zur Verfügung gestellt werden, oder Geräte die dem Heim gehören. Insgesamt gaben sogar knapp 20% an, dass sie gar keinen Zugang zu einem mobilen Arbeitsgerät haben, somit nicht digital arbeitsfähig sind.
  • Nur 4% der Antwortenden können gar nicht drucken, während die eindeutige Mehrheit über den Zugang zu einem Drucker verfügt, welcher aber in fast der Hälfte der Fälle lediglich schwarz-weiß druckt.

Fazit / Jugendpolitische Empfehlung

Um eine Gleichberechtigung zwischen den Heimbewohner:innen in der Ausstattung mit Hardware und einer entsprechenden Softwareausrüstung für den Internetzugang herzustellen, müssen die involvierten Stellen und Institutionen ihren möglichen Handlungs-spielraum anwenden im Sinne einer Schaffung von gleichen Voraussetzungen.

Zusätzlich scheint es aus Sicht der User:innen notwendig den Internetzugang und den Zugriff auf die mobilen Endgeräte so zu gestalten, dass eine Nutzungsfreundlichkeit neu definiert wird, was impliziert, dass eine stabile Verbindung für tatsächliche vorhandene (auch private) Nutzungsarten der Internetverbindung vorherrscht, als auch eine Vereinfachung im Nutzungszugang eines mobilen Endgerätes stattfindet. In einer Bittposition zu stehen, um für schulische und/oder private Zwecke ein Endgerät mit Internetzugang zu nutzen, führt nicht zu einer Gleichberechtigung dieser Heimbewohner:innen gegenüber anderen Jugendlichen.

Ebenso ist eine ausschließliche Nutzung öffentlich zugänglicher Endgeräte oder ein Zwang zur Nutzung der eigenen Endgeräte ausnahmslos in öffentlichen Räumen, beispielsweise durch eine schlechte Netzabdeckung, den Bedürfnissen der User:innen nicht zuträglich.


BÄMM! befürwortet als Ergebnis der Umfrage die angedachte Änderung der Qualitätsstandards für erzieherische Hilfen und Eingliederungshilfen gemäß SGB VIII umzusetzen. Allerdings wird aus unserer Sicht mit einer Zielformulierung hinsichtlich der zur Verfügungstellung von W-LAN in einer möglichst hohen Bandbreite für die Gemeinschaftsräume und Zimmer der Kinder und Jugendlichen nicht gelöst, wie der mögliche Zugang zum Internet und den Arbeitsgeräten geregelt ist, und auch nicht, was der Maßstab für eine möglichst hohe Bandbreite ist. Vielmehr könnte zielführend sein, dass die Abdeckung bestimmter Nutzungszwecke und gewünschter Zugangsmöglichkeiten der Maßstab zur Änderung der Qualitätsstandards markieren. Hierzu wären also die konkreten Nutzungswünsche und -bedürfnisse der Jugendlichen zu einer zeitgemäßen digitalen Teilhabe herzustellen.
Aus unserer Sicht wäre also stabiles W-LAN für alle Nutzungszwecke und alle Räume herzustellen und allen Jugendlichen ein Endgerät zur Verfügung zu stellen. Die Nutzung von Gerät und W-LAN muss in einem selbstbestimmten, privaten Rahmen jederzeit möglich sein.

Umsetzung der Ergebnisse

Unterausschuss Hilfen zur Erziehung:

Jugendhilfeausschuss:

  • Auf der Sitzung am 16.09.2021 wurde die Änderungsvorschläge aus dem Antrag des UA HzE angenommen und beschlossen

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